„Wunde Punkte“: Deutsche Erstaufführung des Lodge-Stücks im Klever XOX-Theater
Skandale in Keksfabrik
von MATTHIAS GRASS
Sie ist ein Luder – sagt man jedenfalls. Eine Paparazzi der schreibenden Zunft, die in ihren Interviews Prominente in die Pfanne haut. Fanny Tarrant ist gefürchtet bei den Promis – und doch ist es eine Auszeichnung, von ihr interviewt zu werden. Selbst wenn man in die Pfanne gehauen wird … „Wunde Punkte“ heißt das Stück von David Lodge, das jetzt im kleinen Klever XOX-Theater in deutscher Erstaufführung von Theaterchef und Regisseur Wolfgang Paterok inszeniert wurde. Der arbeitet seit einigen Jahren in einer zum professionellen 99-Platz-Theater umgebauten Fabrikhalle der ehemaligen Klever XOX-Keksfabriken mit semi-professionellen Darstellern. „Wunde Punkte“ sind es auch, die Fanny Tarrant bei ihren „Opfern“ sucht – so bei dem einst von ihr verehrten Schriftsteller Adrian Ludlow. Doch der verrät ihr intime Details aus seiner Studienzeit, die vor allem seine Frau betreffen. Als diese davon erfährt – und Fanny Tarrant nach einem Sauna-Besuch auch noch auf der Couch im Wohnzimmer überrascht – ist sie außer sich vor Wut, demaskiert Adrian und sein Image vom freien und ungebundenen Künstler als Fassade eines eitlen Egomanen. Verletzung der Intimspäre Schön arbeitet die Inszenierung die Wechselwirkung von Skandalmeldungen, die Verletzung der Intimsphäre und das Hecheln bestimmter Gesellschaftsschichten nach eben jenen Meldungen heraus. Und das Stück relativiert im Schlußakt gleich jene menschlichen Belanglosigkeiten, die zum Skandal hochstilisiert werden: An dem Tag, an dem Lady Di verunglückt, interessiert sich nämlich keiner mehr für die Befindlichkeiten eines zurückgezogenen Erfolsgautors (Ludlow), interessiert sich keiner für die Texte der berühmten Skandalschreiberin … Paterok schafft trotz text- und dialog-lastiger Vorlage eine kurzweilige Inszenierung des Vier-Personen-Stücks mit einer spannenden Auseinandersetzung und vielen Wendungen zwischen Ludlow ( York Dehnen) und der jungen Journalistin (Pia Wucherpfennig).