XOX-Theater: Wenn die Zuschauer auf der Bühne sitzen
von Peter Grass
KLEVE Gleich mehrere Premieren bot das XOX-Theater dem Publikum am Samstagabend. So begann die Spielzeit 09/10 des Theaters mit der Premiere des Stücks „Ein Bericht für eine Akademie“ von Franz Kafka. Dieses Stück nutzte Regisseur Wolfgang Paterok , um den Spieß für das Publikum einmal umzudrehen. Anstatt, wie normal üblich, auf den Rängen in den Sesseln Platz zu nehmen, fand sich das Publikum selbst auf Stuhlreihen im Scheinwerferlicht auf der Bühne wieder.Affe berichtet von Menschwerdung
Darsteller Michael Schläger, der in der Erzählung Kafkas Affen Rotpeter spielt, beanspruchte so die Sitzreihen für sich ganz allein. Er springt zwischen den Reihen affenähnlich umher, klettert über die Lehnen und balanciert am Geländer. Rotpeter ist der Mittelpunkt der kurzen Erzählung Kafkas. Der Affe berichtet von seiner Menschwerdung. Nicht als freiheitlicher Wunsch, sondern als einziger Ausweg aus der Gefangenschaft eines Affen in Menschenhand. So beobachtete er die Menschen und fing an selbst Mensch zu werden.
Nach innerlich – äußerlich ist Rotpeter immer noch voll und ganz ein Affe – abgeschlossener Menschwerdung berichtet er im Monolog einer Akademie, hier dem Publikum, wie dies gelang. Und auch während des Vortrags wird die „Menschwerdung“ noch vorangetrieben. Zunächst klettert und springt Schauspieler Michael Schläger über die Sitzreihen. Er kauert noch vor der Wand im Scheinwerferlicht, scheu, und zähnebleckend, kaum Blickkontakt zum Publikum.
Nach und nach wird der Gang aber aufrechter bis sich Michael Schläger zum Schluss, selbstbewusst wie ein Mensch, auf der Sitzfläche des Stuhl im XOX-Theater niedergelassen hat. Jetzt spricht er ganz offensiv ins begeisterte Publikum.
Ende des Stücks, Scheinwerferwechsel. Ernst Hanßen, weiterer Schauspieler aus dem XOX-Theater-Ensemble, steht requisitenlos im Tontechnikerkasten hinter einer Scheibe. Einfach, aber genial symbolisiert dies einen Aufzug. Hanßen spricht über die Gegensprechanlage, was das ganze noch distanzierter wirken läßt. Fast wie eine alte, verblassende Erinnerung, ähnlich surreal wie der Text des Stücks ohnehin. Zwar ist diese Szene nur ein ganz kurzer Auszug aus „Der Mann im Fahrstuhl“ von Heiner Müller, doch auf Grund des Simplen wirkt sie unglaublich stark.